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Globen

Verfasser: Suche nach diesem Verfasser Sloterdjik, Peter
Medienkennzeichen: Spende
Jahr: 2000
Verlag: Frankfurt am Main, Suhrkamp Verlag
Reihe: Sphären; 2
Mediengruppe: Sachbücher
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MEKZ: Spende Standorte: 1.OG Philosophie Betrachtungen SLOT Status: Verfügbar Vorbestellungen: 0 Frist:

Inhalt

Alles menschliche Dasein ist Sphärologie! Nicht weniger als drei Bände mit insgesamt knapp 3000 Seiten hat Peter Sloterdijk zwischen 1998 und 2004 zu Papier gebracht, um diese These an den Mann zu bringen. Die Sphären-Trilogie ist ein großer Wurf, größenwahnsinnig in ihrem allumfassenden Anspruch, ein Hochamt der deutschen Sprache, präzise in ihrer Analyse und nicht zuletzt ein wunderbares Beispiel für eine fröhlich betriebene Wissenschaft, ein kurzweiliger Lesegenuss bis zur letzten Seite. Konzentrierte sich Sloterdijk im ersten Band Blasen noch auf zwischenmenschliche Beziehungen im privat-freundschaftlichen Bereich – beginnend mit der Verbindung des Fötus zur Mutter -, rückt in "Globen" das große gesellschaftliche Ganze ins Zentrum des Interesses, die Sphäre des Politischen und Religiösen.
 
Der Mensch ist mehr oder weniger schutzlos einer feindlichen Umgebung ausgesetzt, hineingeworfen ins Sein, zu dem er sich verhalten muss. Er sucht Schutz und Sinn. Dieses an Heidegger und Gehlen angelehnte anthropologische Fundament setzt Sloterdijk voraus, um davon ausgehend seine Sphärologie, gipfelnd in der These, "die Sphäre ist der Sinn von Sein" (206), zu entwerfen. Dabei konzentriert er sich auf die weltliche – die Entwicklung des modernen Nationalstaates – und die religiöse Sphäre – hier vor allem das Christentum. Religionen sind für Sloterdijk "metaphysische[.] Immunsystem[e]" (588), die dem Bedürfnis des Menschen entsprechen, sich in einem unendlichen, kalten Universum geborgen – sprich: in einer Sphäre wohl aufgehoben – zu fühlen. Davon ausgehend betont Sloterdijk den revolutionären Bruch, den Nietzsche – der Prediger des Todes Gottes - in der abendländischen Kulturgeschichte zu verantworten hat: "Toll ist dieser Prophet ja nicht, weil er vom Tode Gottes spricht, sondern weil er von seiner Auferstehung nicht spricht; wahnsinnig ist er, weil er sich dem Glauben hingibt, er könne mit seiner Schlechten Nachricht die Rezeptionserfolge der Guten einstellen." (585) Seit der Ermordung Gottes herrsche ein "Krieg der Immunsysteme" (590) und der der religiösen Sphäre verlustig gegangene Mensch habe nun „die freie Wahl des behandelnden Illusionisten." (ebd.) Doch allzu häufig stelle sich der Einzelne selbst an die Stelle Gottes, um allein den Kampf gegen die offensichtliche Sinnlosigkeit des Daseins aufzunehmen. Dies sei zum Scheitern verurteilt: "Im schockhaften Zusammenprall mit dem nackten Daß der Dinge entdeckt das aus allen bergenden Sphären gefallene Individuum, daß alles, was es selbst in diesem Universum wuchernder Tatsächlichkeit begeht oder unterläßt, ohne die geringste Bedeutung ist." (660) Rastlosigkeit, Hyperaktivität oder die Flucht in die Erlösung versprechende Welt der Psychopharmaka seien lediglich Symptome der Ermordung Gottes.
 
Auch die weltliche Sphäre sieht Sloterdijk in einer existentiellen Krise, ausgelöst durch den Prozess, den auch er als Globalisierung bezeichnet: "In ihrem Fortgang sprengt die Globalisierung Schicht für Schicht die Traumhüllen des bodenständigen, des eingehausten, des in sich selbst orientierten und aus Eigenem heilsmächtigen Lebens – jenes Lebens, das bis zur Stunde nie anderswo war als bei sich selber und in seinen geburtlichen Landschaften" (826). Die globalisierten "anywheres" gegen die heimatverbundenen "somewheres", die Vertreter einer alle kulturellen Unterschieden einebnenden Einheitskultur gegen die Bewahrer nationaler und regionaler Eigenarten - bereits 1999 sah Sloterdijk diesen existentiellen Konflikt des 21. Jahrhunderts voraus, dessen Kämpfe mit zunehmender Härte und Rücksichtslosigkeit geführt werden. Ein Auswuchs dieses globalen Vereinheitlichungsprozesses sei die Tendenz, alle Menschen als gleich zu empfinden und allein schon die Benennung von Unterschieden zu verdammen. Süffisant bezeichnet Sloterdijk dieses globalistische Argumentationsmuster als "adamitische[n] Rassismus" (991), der genauso zu verdammen so wie die biologistischen Wahnsysteme des 20. Jahrhunderts, da allen die Fixierung auf rassisch-genetische Merkmale des Menschen zu eigen sei. Eine globale Sphäre könne es nicht geben, so Sloterdijk; um sphärentypische Eigenschaften zu entfalten – Schutzfunktion, Identifikation – müsse diese für den Einzelnen zu überschauen und an bestimmte exklusive kulturelle Normen und Eigenschaften rückgebunden sein. Mit dieser Analyse befindet sich der Philosoph mitten im Zentrum der aktuellen Diskussion um Identität und Heimat.
 
Wie kaum ein anderer Gesellschaftsanalyst beherrscht Sloterdijk die Kunst der aphoristischen Zuspitzung seiner Gedanken. Den oben beschriebenen Konflikt verdichtet er wie folgt: "Der postmoderne Kosmopolitismus ist meistens nicht mehr als der philosophische Überbau von Billigflügen zwischen europäischen und amerikanischen Hauptstädten." (410) Lesen, genießen, lachen, grübeln, sich mitreißen lassen, diskutieren – die Sphären-Trilogie ist nichts weniger als ein Meisterwerk der zeitgenössischen Philosophie!

Details

Verfasser: Suche nach diesem Verfasser Sloterdjik, Peter
Medienkennzeichen: Spende
Jahr: 2000
Verlag: Frankfurt am Main, Suhrkamp Verlag
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Systematik: Suche nach dieser Systematik Philosophie
Interessenkreis: Suche nach diesem Interessenskreis Betrachtungen
ISBN: 3-518-41054-7
2. ISBN: 3-518-41054-7
Beschreibung: 1013 S.
Reihe: Sphären; 2
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Mediengruppe: Sachbücher